Was ist Steampunk?
„Steampunk ist Jules Verne Fan-Fiction.“
„Steampunk ist alternative Geschichtsschreibung.“
„Steampunk ist, als die Gothics Sepia entdeckt haben.“
„Steampunk ist Viktorianische Science-Fiction.“
„Steampunk ist Nostalgie für eine nie dagewesene Vergangenheit.“
Die Frage, die am schwierigsten überhaupt zu beantworten ist. Fragt man fünf Steampunks, so erhält man sechs verschiedene Antworten, denn unwahrscheinlich viele Dinge können Steampunk sein und Steampunk bedeutet für jeden etwas anderes. Daher sei vorangestellt, dass die folgende Erklärung mein Versuch ist, alles etwas zusammen zu fassen.
Steampunk ist eine Form des Retrofuturismus („retro“ zurück in die Vergangenheit, „futur“ von dort wieder in die Zukunft): man überlegt sich, wie die Menschen im 19. Jahrhundert (also dem viktorianischen Zeitalter oder in Deutschland die Kaiserzeit) sich die Zukunft vorgestellt haben.
Das 19. Jahrhundert ist die Zeit der Industrialisierung und der Dampfmaschinen, daher auch der Begriff „Steampunk“, von engl. „Dampf“ (steam).
Warum aber Punk?
Die Wortschöpfung „Steampunk“ geht auf den US-amerikanischen Autor Kevin Wayne Jeter zurück. In einem Brief an das Science-Fiction Magazin Locus schlägt er 1987 den Begriff „Steampunk“ in Anlehnung an das bereits existierende „Cyberpunk“ als Genrebezeichnung vor, um seine Romane „Morlock Night“ und „Infernal Devices“ zu beschreiben. Ähnlich wie beim Cyberpunk geht es um eine technisierte Welt, nur befindet sich diese nicht in einer Computergesteuerten Zukunft, sondern in der Dampfbetriebenen Vergangenheit.
Als Vorbild dienen hier unter anderem Science-Fiction Autoren des 19. Jahrhunderts: Jules Verne und H. G. Wells. Diese werden oft auch als Väter des Steampunks bezeichnet, dabei sind sie selbst keine Steampunks. (Sie haben aus ihrer Zeit heraus Zukunftsszenarien beschrieben; der Rückschritt aus unserer Zeit heraus fehlt jedoch.) Ideen wie Zeitreisen, verrückte Wissenschaftler und fantastische Apparaturen tauchen in den Werken Verne und Wells bereits auf und werden vom Steampunk aufgegriffen.
Allem Zugrunde liegt die Idee des „Was wäre, wenn?“
Was wäre, wenn die Welt noch mit Dampfkraft betrieben würde? Was wäre, wenn die Elektrizität nicht erfunden worden wäre? Was wäre, wenn die Zeit eine andere Abbiegung genommen hätte und anders verlaufen wäre? Da die Vergangenheit nun aber schon geschehen ist, wird ein alternativer Geschichtsverlauf erdacht, in dem nicht Strom, sondern Dampf die treibende Kraft ist.
Mit diesem hypothetischen Gedankenkonstrukt lassen sich verschiedenste Dinge anstellen:
- Geschichten schreiben
- Apparaturen bauen
- Kostüme und Charaktere entwerfen
- Musik machen
- usw.
Das ist auch der Grund, warum die Antwort auf die Frage „Was ist Steampunk“ so unterschiedlich ausfallen können.
Jeder macht draus, was er mag und kann auf seine eigene Art kreativ werden!
Die Ausprägungsformen in Literatur, Kunst und Make, Mode und Musik sind so vielfältig, dass es oftmals schwerfällt, den gemeinsamen Nenner auszumachen. Natürlich gibt es neben dem „Was wäre, wenn“ noch mehr verbindende Elemente, z.B. der Hang zum Selbermachen, Zahnräder als Erkennungszeichen, die Ästhetik des 19. Jahrhunderts und vieles mehr.
Die kreative Freiheit ist letztlich genau das, was es so schwer macht, Steampunk zu definieren und einige Steampunk sträuben sich auch dagegen, sich in eine Schublade stecken zu lassen. Getreu dem Motto: jeder kann selbst bestimmen, ob etwas für sie/ihn Steampunk ist.
Nur, wenn man möchte, dass es auch von anderen als Steampunk erkannt wird, dann sollte man sich an den gängigen Tropes orientieren (und vielleicht doch mal ein Zahnrad ankleben).
Ich hoffe, ihr habt damit eine bessere Vorstellung davon, was Steampunk eigentlich ist. Demnächst folgen auch noch einige nähere Betrachtungen zu den unterschiedlichen Ausprägungen, wobei mir die Mode persönlich am meisten am Herzen liegt.
Ich habe für Anachronika eine Kurzform „Was ist Steampunk“ als A4 Flyer verfasst, der gerne genutzt werden darf:
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